Die klassische Darstellung der Entstehungsgeschichte des Echternacher Hämelmausliedes beruht auf einer Anekdote, welche Marcel Simon in “Echternach, liebe alte Stadt” erzählt hat: “Echternach 1883-1884. In jenem Jahre kamen zwei Brüder [Toni und Maati] von jenseits des Meeres in die alte Heimat, und man sah es ihrem ganzen Gehabe an, daß sie es drüben zu etwas gebracht hatten. Sie waren ihres Zeichens Kutschenbauer und sprachen sogar davon, daß sie die amerikanische Stadt Clay Center gegründet hätten. Das gab Euch ein fröhliches Wiedersehen mit Verwandten und Freunden, ein Feiern und Zechen, daß fast ganz Echternach Kopf stand. Doch da jedes Ding ein Ende hat, wurden auch hier die Gelage immer kürzer, immer mehr im engen Kreise, und beschränkten sich zum Schluß auf die Wirtsstube eines Verwandten, der auch Bäcker war. War es Feierabend, so war es nur ein Schritt bis zur Baakes, und das fröhliche Zechen konnte hier weitergehen, denn man war ja nicht mehr im Wirtshaus.” Die beiden trieben es so bunt, dass die Gendarmen bemüht wurden. Die zwei Brüder wurden nach Diekirch vors Gericht zitiert, der Richter aber hatte Verständnis und sprach die beiden “Amerikaner” frei. Soweit im Resümee die von Marcel Simon überlieferte Anekdote.

Auf dieses Geschehen sollen die folgenden zwei Strophen des Hämelmausliedes in dessen Version aus dem Jahre 1884 anspielen:

Wuhin esu hurtig daou Hämelmaous,
Äich geséin, daou bas bewaacht;
Hoas daou daan e Verbreeche begaangen,
Datt mer däich fort féiert mat Gendaarmen?
Daou woars dach kääs esu schlecht!

A waat hoan si da begaangen,
Di schrecklech Hämelmais?
Si sain aous dem Taak eraous gesprongen,
A si hoan e Léidchen gesongen, –
Dat as d’ganz schrecklich Moritat.

Jean-Marie Ottelé ist es vor kurzem gelungen, die beiden Brüder Toni und Maati zu identifizieren, und er hat seine Erkenntnisse im Oktober 2016 auf seiner Website http://www.industrie.lu erstmals publik gemacht. Es handelt sich um die Zwillingsbrüder Anton (“Toni”) und Mathias (“Maati”) Schiltz, geboren in Echternach am 24. Juli 1849, Söhne der Eheleute Michel Schiltz (Ackerer, 34 Jahre alt) und Susanna Schiltz (ohne Stand, 33 Jahre alt). Wie so viele Luxemburger im 19. Jahrhundert, sind die Brüder Schiltz, die allem Anschein nach das Schmiedehandwerk gelernt hatten, später nach Amerika ausgewandert, wo sie sich 1872 im Clay County, Kansas, niederließen. Ab 1875 wohnten sie in Clay Center, Kansas, eine Stadt, die 1862 von Alonzo und John Dexter gegründet worden war. In den “Clay County Directories 1884-1885, Kansas State Official Gazetteer and Business Directory, R. L. Polk & Company” findet sich unter “Clay Centre” (Clay Center) folgender Eintrag: “Schilts Bros (Anthony and Matthew), blacksmiths, farm impts and coal” [farm impts = farm implements = landwirtschaftliche Geräte]. Maati (Matthew) ist 1904 gestorben, sein Bruder Toni (Anthony) 1930. Sie sind auf dem Greenwood Cemetery, Clay Center, Kansas, begraben.

Siehe hierzu:
Toni a Maati, 2 Kutschebauer vun Iechternach – Hämelmaus.
Siehe auch:
Aus den frühen Tagen der Echternacher Fastnacht: I. Von den Tanzochsen zum Hämelmaushüpfen. II. Auf den Spuren des Hämelmausliedes. Lëtzebuerger Journal 2010, (I) Nr. 29 (11. Februar): 21; Nr. 30 (12. Februar): 20; (II) Nr. 32 (16. Februar): 17; Nr. 33 (17. Februar): 18.
und
Ergänzung zum “Journal”-Artikel “Aus den frühen Tagen der Echternacher Fastnacht”.