Jean Jacques Willmar (1792-1866)

“A poet can survive everything, but a misprint”, schrieb Oscar Wilde im Jahre 1886. Druckfehler können aber nicht nur Poeten das Leben schwer machen, auch Biographen oder Historiker sind nicht dagegen gefeit. Dabei liegt der Fehler auch nicht immer beim Setzer bzw. Drucker, er kann auch beim Autor liegen.

In allen Fällen riskiert der Fehler ein langes bis sehr langes Leben zu haben, insbesondere, wenn es sich hierbei um ein Datum handelt. Der rezenteste Fall, auf den ich gestoßen bin, betrifft den luxemburgischen Staatsmann Jean Jacques Madelaine Willmar, Jurist, Richter, Generalstaatsanwalt, Präsident des Regierungsrats, Generaladministrator (Minister), Mitglied des Staatsrats. Geboren wurde er am 6. März 1792 in der Stadt Luxemburg als Sohn des Gouverneurs Jean Georges Willmar (1763-1831).

Gestorben soll er am 26. November 1866 sein. So steht es zumindest in dem biographischen Artikel den Auguste Neyen ihm 1876 in seiner „Biographie luxembourgeoise“ gewidmet hat (S. 471). So steht es in Georges Hausemers „Luxemburger Lexikon“ (S. 468) und bei Guy Thewes (2006, S. 19), so stand es bis jetzt in den einzelnen Sprachversionen der Wikipedia, die das Lemma Jean-Jacques Willmar führen, z. B.: (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Luxemburgisch, Niederländisch, Polnisch und Chinesisch) [Stand: 2021-01-19, 11:40].

Bei einer Recherche betreffend Willmars Frau, Jeanne Madelaine Ernestine München, bin ich darüber gestolpert, dass Luxroots.com für Willmar als Todesdatum den 26. November 1792 angibt [Stand 2021-01-10], ein offensichtlicher Lapsus bei dem Geburtsjahr und Sterbejahr verwechselt wurden, der mich aber dazu angeregt hat, nach einem Nachruf in den Zeitungen vom November 1866 zu suchen.

Hier das Resultat:

Luxemburger Wort vom 21. November 1866, S. 2:

Luxemburg, 20. November. Verflossene Nacht verschied hier, versehen mit den h. Sterbesakramenten, Hr. Willmar, früherer Regierungspräsident und jetziger Staatsrat.

L’Union vom 22. November 1866, S. 3:

Nous apprenons avec regret la mort de Mr Willmar, conseiller d’Etat, ancien président du Gouvernement, décédé dans la nuit de lundi, à l’âge de 77 [sic] ans.

Luxemburger Wort vom 27. November 1866, S. 4 (Civilstand der Stadt Luxemburg):

Sterbefälle. Vom 20. [November]: Johann Jacob Magdalena Willmar, alt 74 Jahre, Mitglied des Staats-Rathes, ehemaliger General-Verwalter und Regierungspräsident des Großherzogthums, Groß-Kreuz des K. G. H. Ordens der Eichen-Krone, Ritter des Niederländischen Löwen-Ordens und des Königl. Preuß. Rothen-Adler-Ordens 2ter Klasse, Groß-Offizier des Belgischen Leopold-Orden, ehemaliges Mitglied des hiesigen Stadtrathes.

Damit war klar, dass der 26. November falsch ist, aber noch nicht geklärt, ob der 20. November, ein Dienstag, der Tag, an dem die Todesurkunde erstellt wurde, auch der Tag des Ablebens war. Im „Wort“ hieß es mit Bezug auf das Datum vom 20. November: „verflossene Nacht“. Vor Mitternacht oder nach Mitternacht, am 19. oder am 20. November?

Die Formulierung der „Union“ – décédé dans la nuit de lundi – ist ebenfalls nicht eindeutig. Also bleibt nur noch der Blick ins Sterberegister. Dies tat für mich freundlicherweise Evamarie Bange, die Konservatorin des Archivs der Stadt Luxemburg, deren Mail vom 14. Januar 2021 die Sache endgültig klärte: Johann Jacob Magdalena Willmar ist am 20. November 1866 im Haus Nr. 2 „St. Michels Gasse“ gestorben; seine Frau Jeanne Madeleine Ernestine Munchen am 16. Februar 1888 im Haus Nr. 1 „St. Michels Gasse“.

Sterbeakt von Jean Jacques Willmar (Kopie von Georges Eicher, Luxroots.com, am 19. Januar 2021 übermittelt)

Hiermit konnte sozusagen als Nebenprodukt noch ein weiterer Fehler aus der Welt geschafft werden. In der „Biographie nationale du Pays de Luxembourg“ schreibt Louis Wirion, Willmars Frau sei am 26. November 1888 im [früheren] Dominikanerkloster (Kloster der Barmherzigen Schwestern) gestorben, was ja eindeutig nicht stimmt, was das Datum anbelangt.

Das „Luxemburger Wort“ widmete Willmars Frau folgenden Nachruf:

Luxemburg, 16. Febr. Dem lieben Gott hat es gefallen, in verflossener Nacht die wohlachtbare Frau Willmar, Wittwe des frühern Gouverneurs und Regierungspräsidenten Herrn W., in ein besseres Jenseits abzurufen. Vor einem Monate noch hatte sie sehr darauf gehalten, ihren achtzigsten Geburtstag im Kreise ihrer lieben Anverwandten mit dankbarer Feierlichkeit zu begehen, dies um so mehr, als sie vor einem Jahr einer augenscheinlichen Lebensgefahr mit nur geringen Verletzungen glücklich entronnen war. Sie war der Typus einer biedern, freundlichen und mildthätigen Luxemburgerin. Ihre religiösen Pflichten erfüllte sie mit Treue und darum war es ihr auch „immer so heimlich“, wie sie sich ausdrückte, „unter demselben Dache, wo sie schon früher zu Lebzeiten ihres Gatten gewohnt, mit den guten barmherzigen Schwestern, nachdem diese das alte Kloster am Fischmarkt gekauft, ruhig und wohlbewacht zusammenwohnen zu können.” Als vor zwei Tagen ein erster Schlaganfall an’s nahe Ende mahnte, hatte sie noch den Trost und die Gnade, alle hl. Sterbesakramente mit vollstem Bewußtsein und innigstem Dank gegen Gott zu empfangen. (Freitag 4 Uhr Begräbnis und Samstag 9 Uhr Seelenamt.) Sie ruhe in Frieden! (Luxemburger Wort 1888-02-16: 3.

Auf Wikipedia habe ich derweil das Sterbedatum von Willmar verbessert. Dieselbe Verbesserung wurde auf meine Initiative hin auch auf Luxroots vorgenommen.

Zitierte Literatur

  • Hausemer, Georges, 2006. Luxemburger Lexikon. Das Großherzogtum von A-Z. 1. Auflage. Luxembourg, Editions Binsfeld, 479 p.
  • Neyen, Auguste, 1876. Biographie Luxembourgeoise. Histoire des hommes distingués originaires de ce pays considéré à l’époque de sa plus grande étendue ou qui se sont rendus remarquables pendant le séjour qu’ils y ont fait. Tome 3. Luxembourg, J. Joris, 490+XXXI+XII p. + Table gén. alphabét. + Fautes typographiques à corriger et additions à quelques articles.
  • Thewes, Guy, 2011. Les Gouvernements du Grand-Duché de Luxembourg depuis 1848. Luxembourg, Service Information et Presse, 271 p. [PDF]
  • Wirion, Louis, 1949. La famille Munchen. Biographie Nationale du Pays de Luxembourg, t. 1, fasc. 2: 380-447. [cf. p. 385-386]