Auf die Frage „Woher kommt die Bezeichnung ‹Minettsdapp›“?, der Spottname für die Bergleute, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Eisenerz, die „Minette“, im Escher Kanton im Tage- oder Stollenbau abbauten, lieferte das „Luxemburger Wort“ in einem rezenten Artikel folgende Erklärung: „Die ersten Bergleute hier in Luxemburg waren Oberschlesier (Deutsch-Polen) und von ihnen wurde das Wort ‚deppig‘ (nicht ganz bei Trost sein – oder dumm) gegenüber den Luxemburgern, welche das Handwerk bei ihnen erlernten und nicht immer alles gleich verstanden, gebraucht. Die Einheimischen legten ihnen daher den Spottnamen ‚Minettsdäpp‘ zu.“ Diese Formulierung findet sich ursprünglich in einem Artikel, den der Bergbau-Fachmann Marcel Klein (†1990) im Dezember 1977 im „Luxemburger Wort“ veröffentlicht hat.

In einem 1985 vom Nationalen Grubenmuseum in Rümelingen herausgegebenen Buch hat Marcel Klein seine frühere Erklärung in leicht abgeänderter Formulierung wiederholt: „Der Name [Minettsdapp] kommt daher, dass die ersten Bergleute hier in Luxemburg Oberschlesier waren und von ihnen oft das Wort ‚däppig‘ [sic] (nicht ganz bei Trost sein) gebraucht wurde. Die Einheimischen legten ihnen daher den Spottnamen ‚Minettsdäpp‘ zu. Später gebrauchte der Volksmund diesen Namen für alle im Süden wohnenden Leute.“

Vor Klein hatten verschiedene Lokalhistoriker den Namen „Minettsdapp“ mit der ungewöhnlichen Absatzhöhe der Schuhe der Bergleute in Verbindung gebracht: Die Bergleute hätten sich beim Tanz wie ein Kreisel (Dapp – Däpp) auf ihren Absätzen gedreht. Der Rümelinger Lehrer Fernand Lorang erwähnt diese Hypothese und schwärmt von den Minettsdäpp, die „wi Dillendäpp mat de Baueremeedercher gedanzt hunn, datt hinnen d’Dronkenellen ausgoungen.“

Hierzu bemerkt Klein in seinem „Wort“-Artikel: „… die meisten alten Bergleute, mit denen ich zu tun hatte, konnten überhaupt nicht tanzen. Sie hielten mehr von einem guten Tropfen, vom Karten- und Kegelspiel. Das Tanzen kam mehr in Mode, als der Arbeiter sich Arbeits- und Straßenschuhe leisten konnte.“ Diese Einschätzung leuchtet ein, bedeutet aber nicht unbedingt, dass man mit den Oberschlesiern und dem Wort „deppig“ auf der richtigen Spur ist.

Lorang (1997: 14-15) verfolgt noch eine andere Spur. Es sei noch nicht so lange her, da sei “Dapp” ein Euphemismus für das Wort „Preis“ (Preuße, Deutscher) gewesen: «An d’Land, wou d’Preisen hirkoumen, war “d’Dappland”.»

Dem Autor dieser Zeilen ist diese Bedeutung des Wortes “Dapp” unbekannt. Lorang allerdings war damit wieder bei den vermeintlichen Fachleuten aus Deutschland, die früher als Steiger, Obersteiger oder sogar als Betriebschef im Bergbau tätig waren. In dem Kontext zitiert er „d’Viizdäpp vun Tréier“, wobei er diesen Begriff augenscheinlich missverstanden hat. Dass der Begriff „Minettsdapp“ mit dem deutschen Wort „Depp“ zusammenhänge, das scheint ihm „konterbosseg“ (absonderlich). Lorang sinniert auch noch über die Ausdrücke „alen Dapp“, „frechen Dapp“ und „dommen Dapp“, um dann zu schlußfolgern: «Awer, ménger wärrech as et dann nët e bësse verwot, wann een de gudden Numm vun de Leit aus dem Minette mat „esou Däpp“ wëllt zesummebréngen?» Hier wäre ein Blick ins Luxemburger Wörterbuch hilfreich gewesen!

Könnte die wahre Erklärung nicht einfacher und bodenständiger sein?

Im Luxemburgischen bezeichnet man nämlich mit dem Wort „Dapp“ laut dem „Luxemburger Wörterbuch“ (Bd. 1) einerseits das Spielzeug Kreisel, andererseits aber auch einen Kerl bzw. Burschen. Das Wörterbuch liefert hierzu folgende Ausdrücke: „e gesonten Dapp“ (ein gesunder Bursche) – „en alen Dapp“ (ein alter Mann). Und man erfährt dort, dass die Luxemburger ihren für ihren Apfelwein bekannten Trierer Nachbarn den Spottnamen „Vizdäpp“ (auch noch: „Vizbridder“) verpasst haben. Nach demselben Muster kann man den Ursprung des „Minettsdapp“ erklären. Der „Minettsdapp“ ist also nicht der „Depp“, sondern der „Kerl“ oder „Bursche“, der als Bergmann dem Boden das Eisenerz, die Minette, entreißt.

Einmal gebildet, wurde dieser Spottname alsbald auf die gesamte Einwohnerschaft der Eisenerzgegend des Südens des Landes ausgedehnt. Einen frühen Beleg hierfür liefert der Beitrag „Op der Pompel“ in dem das satirische Wochenblatt „D’Uoreg Zongen“ im Oktober 1883 den soeben zum neuen Bischof berufenen Johannes Joseph Koppes als „Minettsdapp“ verunglimpft. Koppes, der 1843 in Canach geboren wurde, war ab Januar 1874 (Ernennung am 31. Dezember 1873) bis zu seiner Ernennung als Bischof Pfarrer in Esch/Alzette, und war somit zum „Minettsdapp“ geworden. Wobei diese Bezeichnung in diesem Zusammenhang eher nicht als Kompliment gedacht war.

Hierfür spricht, dass im 1906 erschienenen „Wörterbuch der luxemburgischen Mundart“ das Wort „Minettsdapp“ noch immer als „Schimpfwort für Erzgrubenarbeiter“ definiert wurde. Hierfür spricht auch folgende, Jahrzehnte später im „Luxemburger Wörterbuch“ (Band 3) veröffentlichte Anmerkung zum Lemma „Minettsdäpp“: „zur Zeit der ersten Hochofenbetriebe meist abfällig gebraucht, die Arbeiter selbst bezeichnen sich stolz als Minettsdäpp“.

Referenzen

  • Stebens, Mike (2024): Woher kommt die Bezeichnung „Minettsdapp“? Luxemburger Wort 2024-08-12, S. 13. Online-Version, 11.08.2024.
  • Klein, Marcel (1977): Die Kleidung der Bergleute. Luxemburger Wort 1977-12-03, S. 29.
  • Klein, Marcel (1985): Lëtzebuerger Biergbau an Zeechnong. Technologie minière illustrée du Luxembourg. Luxemburger Bergbau in Zeichnung. In: Nationale Minnemuséium zou Rëmeléng, S. 14.
  • Lorang, Fernand (1997): Dëst an dat aus der Lëtzebuerger Biergbaugeschicht. 2. Oplo. Luxembourg 1997, S. 12-15.
  • Wörterbuchkommission (1950): Luxemburger Wörterbuch. Band 1. Luxemburg 1950, S. 183 u. 383.
  • Anonym (1883): Op der Pompel. D’Uoreg Zongen 1883-10-14, S. 3., 14. Jg., nº 27 (14.10.1883), p. 3.
  • Wörterbuch der luxemburgischen Mundart. Luxemburg 1906, Sp. 287.
  • Wörterbuchkommission (1970): Band 3. Luxemburg 1965-1970, S. 154.

NB: Dieser Post wurde zuerst veröffentlicht am 12. August 2024, dann ergänzt am 22. Dezember 2024.